Klimaresistente Alte Obstbaumsorten

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Einleitung

Streuobstwiesen gehören schon seit mehreren Jahrhunderten zu dem prägenden  Landschaftsbild in den verschiedenen Regionen Deutschlands. Der Name  leitet sich durch die oft verstreute Anpflanzung der Bäume ab.

Vorwiegend werden die Flächen extensiv1 genutzt und mit Hochstämmen bepflanzt. Insbesondere die alten Flächen mit alten Bäumen sind neben den Bäumen selbst reich an Artenvielfalt, so haben sich mittlerweile viele Pflanzen und Tierarten an diese von dem Menschen geschaffene Kulturlandschaft gewöhnt und sie auf diesen Lebensraum angewiesen. Rationalisierung und Industrialisierung der Landwirtschaft ab Mitte des 20 Jahrhunderts, so wie ein teils übertriebener Anspruch der Konsumenten an die Qualität der Früchte, haben aber vermehrt zu einem Verlust dieser Flächen geführt bzw. eine Bewirtschaftung unwirtschaftlich gemacht.  So schätzt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), dass zwischen 1965 und 2012 allein im Freistaat Bayern 70% der Streuobstbestände beseitigt wurden.

Die Ursprünge der modernen Sorten reichen wahrscheinlich schon Millionen von Jahren zurück und stammen von den Wildformen ab. Obstsorten sind früher i.d.R. als Zufallssämlinge aus wilden Hecken, Flur  oder Wäldern entnommen worden. Zufallssämlinge sind sowohl durch natürliche als auch durch menschliche Selektion und/oder Mutation, Kreuzung entstanden, bei letzterem standen bzw. stehen heute noch die Verwendbarkeit im Fokus. So entstanden über die Jahrhunderte in ganz Europa tausende von Sorten.

Zu Beginn des 20ten Jahrhunderts begann man dann mit der systematischen Züchtung der Obstsorten. Der  moderne Erwerbsobstbau konzentriert sich heute auf wenige Sorten mit hohen Erträgen, gleichmäßiger Form und homogener Farbgebung. Diese Entwicklung geht meist jedoch zu  Lasten der Pflanzengesundheit und erfordert neben einem intensiven Pflanzenschutz einen regelmäßigen Schnitt und eine gute Nährstoffversorgung. Zudem unterliegen die Züchtungen meist  einem Sortenschutz. Sie  eignen sich daher nur sehr schlecht für eine extensive Bewirtschaftung ohne großen Düngemittel/Pflanzenschutzeinsatz.

Ähnlich wie bei den Aufforstungen im Wald steht man heute bei der Neupflanzung von Obstbäumen vor der Frage, welche Sorten wohl in Zukunft mit zunehmenden trockenen Verhältnissen klar kommen werden. Grundsätzlich sollten auch bei der Anpflanzung neuer (klimafreundlicher)Streuobstwiesen drei wichtige  Grundkriterien beachtet werden. Diese sind: Verwendungszweck, Wuchs-Charakter und  Pflegeaufwand.

Alten Obstbaumsorten wird pauschal oft eine hohe Resistenz gegenüber Krankheiten nachgesagt. Jedoch wird dabei vergessen, dass das auch nur gilt, wenn der Baum auf einem für ihn richtigen Standort steht. Bäume mit einer schlechten Vitalität sind grundsätzlich immer stärker gegenüber Krankheiten prädisponiert. Als Beispiel ist z.B. die Champagnerrenette  zu nennen, die auf nassen Standorten als krebsanfällig gilt. Oder die Mehltau Anfälligkeit der Sorte Cox Orange bei zu trockenen Standorten. Der Standort (Boden!!), ist also ein wichtiger Faktor, der neben der Klima-Resistenz/Trockenheitsverträglichkeit eine Rolle spielt. Am besten sind natürlich Sorten, die grundsätzlich anspruchslos sind. Neben der Sortenauswahl ist auch auf eine korrekte Pflanzung und eine korrekte Jungbaumpflege zu achten, da hier der Grundstein für ein langes Baumleben gelegt wird. 

In Zusammenhang mit dem Projekt Klima Kickstart

wurde die bereits existierende Pflanzung auf dem Großen Hard ergänzt. Klassisch für extensive Nutzung wurde auf langlebige, stark  wachsende Hochstamm-Unterlagen  zurückgegriffen und ein besonderes Augenmerk auf Trockenheitsverträglichkeit geachtet.

Im nachfolgenden Text sollen die Sorten, die gepflanzt wurden, näher vorgestellt werden. Da sich die Hochstamm-Form nur bedingt für kleine Gärten eignet, soll auch kurz auf die verschiedenen gängigen Ziehformen eingegangen werden.

Ziehformen im Obstbau

Neben dem klassisch im  extensiv  geführten Anbau vertretenen Hochstamm gibt es noch weitere Ziehformen. Diese sind:

  • Halbstamm
  • Viertelstamm
  • Stammbusch
  • Spindelbusch
  • gezogene Spalierform (Hecke)
  • Pillarbaum (Apfel, Quitte und Birne)

Für den Hausgarten eignet sich vor allem der Viertelstamm, Stammbusch, Spindelbusch oder z.B. direkt an der Hauswand eine gezogene Spalierform.

(Baumschule Günter Kirner o.J.)

Sortenauswahl

Äpfel

Bittenfelder Sämling

Herkunft:

Die Sorte stammt aus der Ortschaft Bittenfeld nahe der Stadt Waiblingen. Jahr der Züchtung ist nicht bekannt.

Verwendung:

Der Bittenfelder Sämling eignet sich hauptsächlich aufgrund seiner Säure als Most/Saftapfel 

Frucht:

Der Apfel reift erst spät aus und ist daher für zu frostige Lagen nicht geeignet. Der Apfel erreicht die Pflückreife von Ende Oktober bis Mitte November und kann bei guter Lagerung bis in den nächsten Frühling gelagert werden. Herabfallende Früchte faulen nur langsam.

Baum:

Der Baum wächst schwach an, aber einmal angewachsen ist der Wuchs stark. Folgend durch das starke Wachstum setzt der Ertrag spät dafür regelmäßig und hoch ein. Hohe Widerstandskraft gegenüber Krankheiten.

(Leo Michels 10/2011)

Blumberger Langstiel

Herkunft:

Zufallssämling  Die Sorte kommt aus Blumberg in der Nähe von Donaueschingen.

Verwendung:

Sorte eignet sich vor allem als Tafelapfel.

Frucht:

Gut Lagerfähiger Tafelapfel Pflückreife ab Ende September / Anfang Oktober

Baum:

Stark wachsender Baum, mit ausladender Krone, der einen regelmäßigen Schnitt benötigt. Aufgrund des starken Wuchses nur bedingt für Gärten geeignet. Die Ertragsmenge variiert sehr in den verschiedenen Jahren. Sorte gilt als robust in allen Lagen. 

(Kreisverband Obstbau Bamberg 2011)

Schöner von Boskoop

Herkunft:

Die Sorte ist im Jahr 1856 in der Ortschaft Boskoop in den Niederlanden entstanden. Die Sorte Roter Boskoop entstand 1923 aus dieser Sorte.

Verwendung:

Sorte eignet sich vor allem als Tafelapfel und ist auch noch heute als Wirtschaftsapfel gängig.

Frucht:

Der Apfel ist ab September pflückreif. Die Genussreife setzt bei Lagerung aber erst ab Dezember ein. Davor ist die Sorte sehr säuerlich. Bei zu trockenen Lagern kommt es zum Schrumpfen der Früchte. Die Äpfel haben ein hohes Vitamin C-Gehalt.

Baum:

Der Baum ist nicht ganz anspruchslos und verlangt nährstoffreiche, nicht frostgefährdete Lagen. Die Krone wird sehr breit und es handelt sich um eine stark wachsende Sorte. Der Ertrag setzt spät ein und neigt zur Alternanz2. Das Holz ist ein leicht frostgefährdet. Die Sorte ist ein wenig anfällig für Schorf.

(unbekannt 12/2016)

Roter Eiserapfel

Herkunft:

Die Sorte ist schon lange in Europa bekannt und wurde vermutlich schon im 16ten Jahrhundert in Franken angebaut.

Verwendung:

Tafelapfel. Der Apfel war bis in die 1950er Jahre aufgrund seiner guten Lagerfähigkeit auch als Wirtschaftsapfel  beliebt.

Frucht:

Der Apfel hält sich lange am Baum und ist erst ab Ende Oktober Pflückreif. Die volle Genussreife tritt aber erst ab Januar ein. Dann hat er einen süß-säuerlichen Geschmack. Bei guter Lagerung lässt sich die Sorte bis in den Frühsommer des nächsten Jahres lagern.

Baum:

Die Sorte ist allgemein stark wüchsig und bildet runde, kugelförmige Kronen aus. Die Blüte ist witterungsunempfindlich und der Baum hat eine gute Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Die Sorte stellt allgemein keine hohen Ansprüche an den Boden. 

(Helge-Klaus Rieder 2021)
(Helge-Klaus Rieder 2021)

Birnen

Madame Verté

Herkunft:

Belgien 1810 in der Nähe von Brüssel als Zufallssämling entdeckt.

Verwendung:

Verwendung als Tafelbirne und für die Kompottherstellung

Frucht:

Pflückreife ab Mitte bis Ende Oktober. Wintersorte.
Kleine Frucht mit angenehmem Aroma. Frucht ist optisch nicht so ansprechend.

Baum:

Baum mit schwachem pyramidalen Wachstum. Der Ertrag setzt spät ein, ist dafür aber konstant und regelmäßig. Sowohl das Laub als auch das Holz sind sehr widerstandsfähig gegenüber Frost, Krankheiten und Schädlingen. Die Sorte hat sich in der Vergangenheit auch gut für Spaliere an Wänden bewährt.

(Baumschule Ley o.J.)

Nägelsche Birne

Herkunft:

Genaue Herkunft unbekannt, manche Quellen sprechen von Baden Württemberg
Erstmals beschrieben in 1854.

Verwendung:

Als Kompott- Birne und zum Brennen von Schnäpsen. Lässt sich aber auch als einige der wenigen Brennbirnen als (kurzfristiges)Tafelobst verwenden.

Frucht:

Reife Anfang bis Mitte September. Die Frucht hält nur kurz und fault schnell. Süßer, leicht herber Geschmack.

Baum:

Baum mit guten bis starkem Wachstum. Mittelfrühe Blüte, regelmäßiger, früher und hoher Ertrag. Sorte ist speziell für windige Lagen gut geeignet. Anspruchslos, leichte Anfälligkeit für Feuerbrand.

(Kiefer o.J.) 

Gellerts Butterbirne

Herkunft:

In Frankreich im Jahr 1820 von der Baumschule Bonnet gezüchtet. 1838 durch den Pomologen3 Oberdieck in Deutschland eingeführt. 

Verwendung:

Hauptsächlich als Tafelbirne, lässt  sich aber auch für die Saftherstellung verwenden.

Frucht:

Die Birne ist recht saftig und süß. Optisch weniger ansprechend.

Pflückreife ab Mitte September. Die Lagerfähigkeit hält in der Regel nur wenige Wochen an.

Insgesamt betrachtet jedoch eine gute Sorte für den Direktverzehr. 

Baum:

Baum mit einem starken  Wachstum. Mittelfrühe Blüte, die bei guter Witterung sehr lange anhält. Die Sorte ist in der Jugend nicht so schnittverträglich. Die Erträge setzen spät ein, sind dann aber hoch. Bei einem regelmäßigen Pflegeschnitt bleibt der Ertrag konstant.

(Glysiak 2016)
  1. Extensive Landnutzung bezeichnet eine Form der Landwirtschaft, bei der vergleichsweise wenig Arbeit, Kapital oder Ressourcen eingesetzt wird. Sie ist gekennzeichnet durch niedrige Produktionsintensität, geringen Einsatz von Dünger oder Pestiziden und oft niedrige Erträge. ↩︎
  2. die Schwankung des Fruchtertrages im zweijährlichen Rhythmus ↩︎
  3. Die Pomologie (Obstbaukunde) ist die Lehre der Arten und Sorten von Obst sowie deren Bestimmung und systematischer Einteilung (wikipedia.de). ↩︎